„Das ist nur eines von den unendlich vielen Dingen, die ich von den Kindern gelernt habe.“

Magdalena G. war von März 2019 bis August 2019 im Kinderdorf La Paz in der Gruppe der jüngeren Mädchen als Volontärin tätig und hat auch beim Streetwork mitgearbeitet.

Fünf Monate mit den Kindern von ALALAY in La Paz – eine Zeit, die mein Leben verändert hat

„¡¡Una nueva voluntaria!!” “¿Por cuanto tiempo te vas a quedar con nosotros?” – Am Anfang verstand ich erst mal… Spanisch. Und zwar oft noch eher sprichwörtlich als tatsächlich. Ein Monat Intensivsprachkurs und ein Monat Reisen stellten sich als gerade genug heraus, um in Bolivien angekommen erst so richtig in die meistgesprochene Sprache Südamerikas einzutauchen. Und nicht nur das: In die Kultur eines Landes zwischen indigenen Wurzeln und modernen Einflüssen, Armut und Ideenreichtum, den Anden und dem Amazonas. Und vor allem in die Familia ALALAY!

 

Día a día – der Alltag als Volontärin

Mein Aufgabenprofil sah ziemlich abwechslungsreich aus: Ich unterstützte die Kinderdorfmutter und die Kinder im alltäglichen Tagesablauf, also beim Fertigmachen für die Schule am Morgen, beim Vorbereiten der Mahlzeiten, Schreiben der Hausübungen und allem, was sonst noch so anfiel. Natürlich durfte dabei aber auch die Zeit zum Spielen nicht zu kurz kommen! Bei Schönwetter hatten wir Spaß am Spielplatz und zwei Mal die Woche ging’s mit den Mädels und Jungs ins Fußballtraining – eines der Highlights für die Kinder.

 

Mein Herzensprojekt

Schon bald fand ich heraus, dass das Team im Kinderdorf sich nicht nur über jede Hilfe im Alltag freut, sondern auch für neue Projektideen sehr offen ist. So kam es bald zu meiner Zusammenarbeit mit der Psychologin im Projekt „Mi portafolio“ („Mein Portfolio“). Grundlage der Idee war, einen Raum für persönliche Dinge und Gedanken zu schaffen. Für Träume, Kreativität, Pläne, Erinnerungen,… grundsätzlich alles, was die Kinder in ihrer ganz persönlichen Mappe aufbewahren wollten. Gleichzeitig sollte das Portfolio auch Raum für zukünftige Projekte mit der Psychologin bieten. Glücklicherweise gab es schon einen tatsächlichen Raum, der sich perfekt für dieses Projekt eignete. Der alte Zeichensaal des Kinderdorfes musste nur wieder auf Vordermann gebracht werden. Ich begann also mit einer Spendenaktion, an der sich viele tolle Menschen und Vereine beteiligten. Bald kam genug zusammen, um den Zeichensaal neu einrichten zu können. Und dann ging’s erst richtig los. Es war faszinierend, zu beobachten, wie sich Kinder, die sich sonst oft nur schwer für eine längere Zeit auf eine Sache konzentrieren konnten, plötzlich stundenlang im kreativen Gestalten vertieften. Und wie ruhig sie dabei wurden! Mit jeder Kindergruppe brauchte es mindestens zwei Nachmittage, bis sie allein mit dem Bemalen ihrer Mappen fertig waren. Danach trafen wir uns weiterhin einmal pro Woche im Zeichensaal und die Portfolios begannen sich mit wunderbaren Zeichnungen und Blättern aus weiteren Aktivitäten zur Persönlichkeitsentwicklung zu füllen. Es war unglaublich schön, die Kinder in diesem Prozess zu begleiten.

Zahn um Zahn

Besonders zu Beginn ihrer Zeit im Kinderdorf leiden die meisten Kinder durch die jahrelange Unterernährung und die Vernachlässigung der Zahnhygiene vor ihrer Ankunft unter Karies. Somit ist der Alltag von vielen Zahnarztbesuchen geprägt. Diese gestalten sich durch die notwendigen Fahrten ins nächste größere Dorf oder gar in die Stadt nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern auch teuer. Da nach dem Einrichten des Zeichensaals noch Geld übrig blieb, beschlossen wir, das für die Renovierung und Ausstattung des alten Zahnarztzimmers im Kinderdorf zu nützen. Glücklicher Weise fand sich bald eine Zahnärztin, die die Kinder einmal pro Woche unentgeltlich behandeln wird, sobald alle Geräte bereit sind. Das Einzige, das nun noch fehlt, ist ein Röntgengerät.

 

Die Streetwork

Mindestens einmal pro Woche durfte ich auch das Team der Streetwork verstärken. Die Projekte der offenen Kinder- und Jugendarbeit dienen primär dazu, Kinder, die auf der Straße leben, kennenzulernen und ihnen die Möglichkeit eines Lebens im Kinderdorf anzubieten. Gleichzeitig gibt es wöchentliche Treffen mit jungen Menschen, die schon über 18 Jahre alt sind, um auch diese auf ihrem Weg in ein besseres Leben zu unterstützen. Genauso wichtig ist die Präventionsarbeit mit Familien an der Armutsgrenze. An meinem Streetwork-Tag trafen wir uns immer gemeinsam mit den Jugendlichen auf einem kleinen Fußballplatz in La Paz. Begonnen wurde stets mit einer Aktivität, die sich um ein Thema drehte, das die Jugendlichen gerade beschäftigte. Am längsten setzten wir uns mit dem Thema „Plan de vida“ („Lebensplan“) auseinander. Da das Portfolioprojekt im Kinderdorf mit so viel Begeisterung aufgenommen wurde und grundsätzlich Thematiken wie „Identität“ und „persönliche Ziele“ behandelte, die auch für die jungen Menschen der Streetwork wichtig waren, kam die Idee auf, hier ein ähnliches Projekt zu starten. So begannen wir mit Aktivitäten, in denen wir uns auf die Stärken und Talente einer und eines jeden Einzelnen konzentrierten. In weiterer Folge beschäftigten wir uns damit, wie man Ziele erreichen kann und letztendlich setzten sich alle große und kleine Ziele, die sie in Zukunft erreichen wollten.

 

Mi conclusión – mein Resümee

Immer wieder werde ich gefragt, ob es nicht sehr belastend für mich gewesen sei, die Vorgeschichten der Kinder zu erfahren und so viel Armut gesehen zu haben. Natürlich gab es manche Momente, die ich für mich erst mal verarbeiten musste. Doch insgesamt überwogen all die positiven Erfahrungen: Die Stunden am Fußballplatz und im Zeichensaal, das Tanzen, die Pyjamapartys,… und das Wissen, dass es den Kindern nach allem, was sie vorher durchmachen mussten, im Kinderdorf gut geht. Zudem können viele von ihnen nach einem begleiteten Prozess durch die Sozialarbeit wieder zu ihren Familien zurückkehren – das ist wohl das größte Geschenk. Ich habe außerdem nach meiner Zeit in Bolivien auch das Gefühl, mir weniger Gedanken um die unwichtigen Dinge im Leben zu machen und noch zufriedener mit allen Möglichkeiten und Dingen zu sein, die ich habe. Das ist nur eines von den unendlich vielen Dingen, die ich von den Kindern gelernt habe. ¡Muchas gracias!

Deine Chance

Falls sich nun die eine oder der andere da draußen denkt, sie oder er würde gerne selbst als Freiwillige*r nach Bolivien gehen – Die Familia ALALAY freut sich über jede Unterstützung! Genauso besteht die Möglichkeit eines Praktikums für Studierende der Psychologie, der Pädagogik und der Sozialarbeit. Außerdem freuen sich auch die Kolleg*innen im ALALAY-Büro immer über helfende Hände (z.B. in den Bereichen Marketing und Buchhaltung). Freiwillige können einen großen Teil ihrer Kosten durch Förderungen des Landes und privater Organisationen rückerstattet bekommen. Wir informieren außerdem auch gerne über ein Auslandssemester an einer Universität in Bolivien. Interessierte können sich jederzeit bei mir melden:

magdalenagr@edu.aau.at