„Nach einiger Zeit fühlte es sich weniger nach Arbeit und viel mehr nach einer großen Familie an.“
Felicitas L. war von August 2018 bis August 2019 als Freiwillige im Kinderdorf in La Paz/Bolivien und im Sommer 2023 als Medizinstudentin in einem bolivianischen Krankenhaus tätig
Ich bin Felicitas und war von August 2018 bis August 2019 für ein Jahr in La Paz und engagierte mich im Kinderdorf ALALAY als Volontärin. Im Haus der kleineren Mädchen unterstützte ich zusammen mit 1(-2) anderen Volontärinnen die Mitarbeitenden, indem ich half, das Frühstück vorzubereiten, die Mädchen für die Schule fertig zu machen, mit ihnen Hausaufgaben machte, mit ihnen spielte, aß und einfach Zeit mit ihnen verbrachte. Außerdem begleitete ich die Kinder zu (Zahn-)Arztbesuchen und anderen Terminen. Für mich war es ein bisschen wie die Rolle einer großen Schwester einzunehmen. Einmal pro Woche begleitete ich vormittags das Team der Straßenarbeit, wo der Fokus bei auf der Straße lebenden Kindern, Jugendlichen und Familien lag. Ich verbrachte ein Jahr lang von Montag bis Freitag nahezu meine gesamte Zeit mit den Kindern und Betreuerinnen, wodurch es sich nach einiger Zeit weniger nach Arbeit und viel mehr nach einer großen Familie anfühlte. Wenn wir nach einem Wochenende wieder in die Aldea kamen, liefen uns die Kinder strahlend entgegen und ich freute mich jeden Montag, sie wiederzusehen. So durfte ich auch einige Highlights miterleben, wie Weihnachten im Kinderdorf, die Quinceañera (15. Geburtstag) einiger Mädchen und Jungen, erste und letzte Schultage, eine gemeinsame Reise mit allen nach Coroico und vieles mehr. Umso schwerer fiel es mir nach all den gemeinsam erlebten Höhen und Tiefen am Ende des Jahres Abschied zu nehmen.
Zurück in meinem anderen Zuhause freue ich mich bis heute weiterhin ein bisschen am Leben der Kinder teilhaben zu können, indem ich ab und an Briefe oder Berichte der Mädchen und Jungen übersetzten darf oder andere kleine Aufgaben für ALALAY erledige.
Von der Volontärin bei ALALAY zur Medizinstudentin in einem bolivianischen Krankenhaus
Nach meinem Volontariat begann ich in Deutschland Medizin zu studieren. Im Sommer 2023 hatte ich die Möglichkeit, eines meiner Pflichtpraktika im Krankenhaus Arco Iris in La Paz zu absolvieren. Ich freute mich sehr über die Gelegenheit, in das Land zurückzukehren, in welchem ich eines der bereicherndsten Jahre in meinem Leben verbracht hatte. Dieses Mal konnte ich 1,5 Monate lang wertvolle praktische Erfahrungen im klinischen Alltag sammeln und gleichzeitig das bolivianische Gesundheitssystem besser kennenlernen. In Bolivien gibt es zwei Hauptsektoren des Gesundheitssystem: den öffentlichen und den privaten. Die öffentlichen Krankenhäuser werden von der Regierung subventioniert, sind jedoch oft stark unterfinanziert und extrem ausgelastet. Dies führt zu langen Wartezeiten und vergleichsweise schlechterer Qualität der medizinischen Versorgung. Die Leistungen in privaten Einrichtungen sind wesentlich teurer, bieten aber ein höheres Versorgungsniveau. Das Krankenhaus in welchem ich mein Praktikum verbrachte, ist ein privates, in dem (fast) alle Fachrichtungen vertreten sind und das auch über ein eigenes Labor, eine Blutbank sowie über bildgebende Geräte wie einen Computertomographen verfügt. Mit den Gewinnen, die durch die bezahlenden Patient*innen erwirtschaftet werden, werden Kindern aus den ärmsten Bevölkerungsschichten unentgeltlich medizinische Behandlungen angeboten. Viele Menschen in Bolivien können sich die Behandlung in einem Krankenhaus dennoch nicht leisten, schon gar nicht in einer privaten Einrichtung, was leider dazu führt, dass ich viele Patient*innen mit weit fortgeschrittenen Krankheitsbildern sah. Entgegen des Instinktes helfen zu wollen, ließ es die finanzielle Situation der Patient*innen nicht immer zu, sie aufzunehmen oder zu behandeln und täglich gab es Situationen, in denen teils schwer kranke Menschen wieder weggeschickt werden mussten. Das empfand ich als sehr bedrückend, dass man helfen könnte und es die Ressourcen gäbe, aber keine Behandlung möglich war aufgrund der finanziellen Lage der Personen. Noch schlimmer ist dies für Angehörige, die vor dem Dilemma stehen, entweder einen riesigen Kredit aufzunehmen und sich ihr Leben lang zu verschulden oder ihre Familienmitglieder leiden oder im schlimmsten Fall sterben zu lassen. Aufgrund der langen Wartezeiten und teils fehlenden personellen als auch materiellen Ressourcen waren öffentliche Krankenhäuser nicht immer eine Alternative. Jedoch erlebte ich auch viele positive Momente. Die Mitarbeitenden empfingen mich sehr herzlich und brachten mir trotz meines geringen Erfahrungsschatzes Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegen. Die Behandlungen, die durchgeführt wurden, kamen nahe an westliche Standards heran, sodass ich auch fachlich einiges dazulernen konnte. Während meines Aufenthaltes erfuhr ich eine sehr herzliche Betreuung und konnte meine Kenntnisse erweitern, sowohl im medizinischen, als auch im persönlichen Sinne.
Meine Zeit in Bolivien nutzte ich auch dazu, die Kinder im Kinderdorf in La Paz zu besuchen. Es war sehr schön die vielen bekannten und auch einige neue Gesichter (wieder-)zusehen. Manche der Mädchen und Jungen sahen noch genau so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte, andere hatten sich komplett verändert und ich hatte Mühe, sie wiederzuerkennen. Ich konnte mich mit den Kindern, bei denen ich damals 1 Jahr verbrachte, über alte Zeiten austauschen und darüber, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen war. Wir schauten zusammen Fotos und Videos aus meiner Freiwilligenzeit an und erfreuten uns an den Erinnerungen. Zudem konnte ich die neueren Kinder kennenlernen. Das Wiedersehen war sehr schön und es war toll, sich persönlich mit den Kinder austauschen zu können.