Jedes Kind zählt – „Yo también cuento“

Bildung, faire Arbeit, politisches Mitspracherecht, gesundheitliche Versorgung, … was für uns selbstverständlich scheint, bleibt Menschen verwehrt, die nicht staatlich registriert sind. Millionen von Menschen erleiden dadurch soziale Ausgrenzung und eine Verletzung elementarer Rechte. Damit allen Menschen ihre Grundrechte zugänglich werden, setzt sich die Kinderrechtsorganisation ALALAY mit ihrer Kampagne „Yo también cuento – Jedes Kind zählt!“ für das Recht auf Identität in Bolivien und Österreich ein. Probleme, mit welchen nicht registrierte Menschen in Bolivien kämpfen, betreffen oft auch staatenlose Menschen in Österreich.

Staatenlosigkeit weltweit. Wird ein Kind bei der Geburt nicht behördlich registriert und somit staatlich anerkannt, gilt es als staatenlos. Der Hohe Flüchtlingskommisar der vereinten Nationen (UNHCR) schätzt die Anzahl an staatenlosen Menschen weltweit auf zehn Millionen, in Europa auf rund 600.000.1 Ihnen bleiben elementare Rechte, wie etwa das Recht auf Schutz der Gesundheit, das Recht auf Bildung und auf politische Mitsprache verwehrt. Für Betroffene bedeutet dies ein Leben in Ängsten und Sorgen.2

Staatenlos in Österreich. In Österreich betrifft Staatenlosigkeit vor allem unbegleitete Kinder auf der Flucht vor Krieg und Ausbeutung. 2016 wurden 6.910 Kinder (bis 14 Jahre) behördlich den Kategorien „staatenlos“, „unbekannte Nationalität“ oder „unbestimmte Staatsangehörigkeit“ zugeordnet.2 Diese drei Kategorien bestehen, weil das österreichische Nationalgesetz keine Definition von Staatenlosigkeit beinhaltet. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass der österreichische Staat die Forderungen der 1954 unterzeichneten Konvention über die Rechtsstellung der Staatenlosen nicht einhält.3 Fast die Hälfte der staatenlosen Menschen in Österreich leben in Wien, gefolgt von Nieder- und Oberösterreich. Die genaue Zahl staatenloser Mensch in Österreich ist schwer anzugeben, da das zentrale Melderegister nur Personen erfasst, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und sich rechtmäßig in Österreich aufhalten. 2

Staatenlosigkeit entsteht oft, wenn Kinder bei der Geburt nicht registriert werden oder die Herkunft der Eltern nicht anerkannt ist. Ein Kind, das in Österreich auf die Welt kommt, erlangt anhand des Abstammungsprinzips die Staatsbürgerschaft der Eltern. Für Kinder staatenloser Eltern besteht kein allgemeines Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft. Hiervon sind laut §14 StGB jene Kinder ausgenommen, die innerhalb Österreichs geboren wurden und seit der Geburt staatenlos sind. Diese können jedoch erst ab dem Alter von 18 Jahren einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen und haben dafür nur bis zum 20. Geburtstag Zeit. Laut UNHCR ist das nur einer von mehreren Verstößen gegen die Konvention zur Verminderung von Staatenlosigkeit, die 1961 von Österreich unterzeichnet wurde. Zwischen 2002 und 2012 wurden in Österreich 171 Geburten staatenloser Kinder registriert.2

Die Anzahl an Staatenlosen in Österreich pro Jahr zwischen 2002 und 2016

Anzahl an Personen, die unter “staatenlos”(„stateless“), „unbestimmte Staatsangehörigkeit“ („undetermined nationality“) und „unbekannte Nationalität“ („unknown nationality“) im zentralen Melderegister (2002-2016) eingetragen waren und Asylanträge von staatenlosen Personen (Quelle: UNHCR Austria (2017): Mapping STATELESSNESS in Austria. https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/04/AUT_Mapping_Statelessness_EN.pdf S.30)

Hilfe für Staatenlose. Folgende Organisationen helfen Betroffenen in Österreich oder ganz Europa und bieten weitere Informationen zum Thema:

Wer sich für eine gerechtere Asylpolitik einsetzen möchte, kann sich außerdem bei den Demonstrationen von „Wochenende für Moria“ engagieren. Informationen dazu findet man auf folgenden Facebookseiten:

Staatliche Identitätslosigkeit in Bolivien. In armutsbetroffenen bolivianischen Familien werden Kinder meist im privaten Umfeld geboren und nie registriert, da von Anfang an die notwendigen Geldmittel fehlen. UNICEF Bolivien schätzt, dass etwa 5,81 % der Kinder unter 18 Jahren in Bolivien keinen Identitätsnachweis besitzen.4 Dies entspricht bei einer Gesamtpopulation von etwa 4,4 Millionen Kindern 176.000 Betroffene. Einen Identitätsnachweis eigenständig zu erlangen, ist teuer und kompliziert. Häufig sind ganze Familien von diesem Phänomen betroffen und mit jeder nicht-registrierten Generation wird es schwerer, die notwendigen Informationen herauszufinden.

Yo también cuento – Jedes Kind zählt! Mit der Initiative „Yo también cuento – Jedes Kind zählt!“ unterstützt ALALAY in Zusammenarbeit mit der britischen Organisation Toybox seit April 2018 Kinder, Jugendliche und Familien gezielt bei der Recherche ihrer Herkunft. Unsere Sozialarbeiter*innen statten sie mit den notwendigen Nachweisen aus und begleiten sie bei Behördengängen. Die anfallenden Gebühren werden durch Spenden finanziert. Ebenso wichtig ist die gesellschaftliche Sensibilisierung für das Thema der bürokratischen Identitätslosigkeit durch bewusstseinsbildende Öffentlichkeitsarbeit in Bolivien und Österreich. Parallel werden Gespräche mit den zuständigen bolivianischen Behörden gesucht, um die Entwicklung praktikabler und nachhaltiger Lösungen voranzutreiben.

Projekterfolge in Bolivien. Die langjährige Erfahrung von ALALAY und die kontinuierliche Anpassung der Projektarbeit an die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen unter der Berücksichtigung gesellschaftlicher Veränderungen sind Basis dieser Kampagne. Seit April 2018 konnten schon 1361 Identitätsnachweise ausgestellt werden! Außerdem informierten unsere Sozialarbeiter*innen 139 Bedienstete des Plurinationalen Staates Bolivien über die Lebensumstände von Kindern, die ohne Identitätsnachweis auf der Straße leben, und sensibilisierten sie für deren Rechte. 5

Lucas Geschichte

Nachdem Lucas* Eltern starben, lebte er so lange seine Erinnerungen reichen in verschiedenen Kinderheimen. Mit zehn Jahren zog er in einem Kinderhaus von ALALAY ein. Er ging zwar in die Schule, erhielt aber aufgrund fehlender Identitätsdokumente kein Zeugnis.  Da Luca nie registriert wurde, begleiteten ihn die Sozialarbeiter*innen von ALALAY zum Gericht, um eine rechtliche Einschreibung zu ermöglichen.  Die Anerkennung einer Identität entwickelt sich oft zu einem langwierigen, scheinbar aussichtslosen Weg, da primär verlangt wird, dass Familienangehörige die Identität des Kindes bestätigen. Sind, wie in Lucas Fall, keine Familienangehörige auffindbar, muss ein Gericht den Namen sowie das Geburtsdatum des Kindes als rechtmäßig erklären.

Dank der Unterstützung durch das Projekt „Yo también cuento – Jedes Kind zählt!“ erhielt Luca nach fast zwei Jahren voller Behördengängen seinen ersten Personalausweis. Von diesem Moment an konnte er endlich offiziell am Unterricht teilnehmen und Zeugnisse erhalten. In Zukunft kann er einen Beruf erlernen, sein Recht auf politische Partizipation bei Wahlen nützen, … seinen eigenen Weg in ein Leben finden! Wir von ALALAY freuen uns, ihn dabei begleiten zu dürfen!

*Name geändert

Lucas Geschichte ist kein Einzelschicksal! In Bolivien leiden Tausende von Menschen unter den Folgen staatlicher Identitätslosigkeit. Um sie unterstützen zu können, brauchen wir Ihre Hilfe:

Schenken Sie Identität!

Mit einer Spende von €11 können Sie das Leben eines Kindes verändern. ¡Muchas gracias!

Spendenkonto des Vereins ALALAY Austria
bei der Allgemeinen Sparkasse:

Verwendungszweck: IDENTITÄT

IBAN: AT83 2032 0000 0006 6010

Durch Angabe Ihres vollständigen Namens sowie
Geburtsdatums wird Ihre Spende automatisch
steuerlich abgesetzt.

Noch Fragen?

Wir stehen gerne für Workshops in Schulen, Vorträge und alle weiteren Ideen sowie bei offenen Fragen zur Verfügung! Unsere Kampagnenleiterin in Österreich, Magdalena Grill-Kiefer, freut sich auf Ihre Nachrichten an magdalenagr@edu.aau.at

© Fundación ALALAY

 

Quellen:

1 UNHCR Austria (2017): Mapping STATELESSNESS in Austria. www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/04/AUT_Mapping_Statelessness_EN.pdf [04.07.2021]

2 Diakonie Flüchtlingsdienst (2017): Kein Kind sollte in Österreich staatenlos sein. Online unter: https://fluechtlingsdienst.diakonie.at/sites/default/files/fluechtlingsdienst/news/3238788_report_on_statelessness_german_v3_final_version.pdf [16.07.2021]

3 Call, L. (2020): Statelessness: A blind spot on Austria’s human rights record. www.statelessness.eu/ updates/blog/statelessness-blind-spot-austrias-human-rights-record [16.07.2021]

4 UNICEF (2019): Encuesta Nacional para identificas los avances y las prechas del Registro de Nacimiento en niños, niñas y adolescentes. La Paz, Bolivien. www.unicef.org/bolivia/informes/encuesta-nacional-para-identificar-los-avances-y-las-brechas-en-registros-de-nacimiento [20.09.2021]

5 Projektkoordinator*innen der Kampagne „Yo también cuento“ (2021): Annual Report. Fundación ALALAY. La Paz, Bolivien.

Kurzdokus – Erfolgsgeschichten:

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Spots zur Aufklärung über das Recht auf Identität

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