„Bereits in meiner ersten Woche hier habe ich realisiert, worin der einzige Unterschied zwischen mir und den Kindern hier besteht: Ich hatte Glück, und sie hatten es einfach nicht.“
Als ich das erste Mal „Hänsel und Gretel“ vorgelesen habe, hatte einer meiner Jungs Tränen in den Augen.
Die Entscheidung, nach der Matura für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen, um als Freiwillige in einem Kinderheim zu arbeiten, habe ich schon vor Jahren gefällt. Dass es sieben Monate in Bolivien werden würden wusste ich damals noch nicht, ebenso wenig, dass dies wohl die aufregendste Zeit meines Lebens werden wird. Mittlerweile bin ich schon über zwei Monate hier im Herzen Südamerikas, arbeite für „Alalay“, eine Non-Profit-Organisation, die sich für ehemalige Straßenkinder einsetzt, und danke Gott jeden Tag dafür, dass er mich hierher geschickt hat. „Alalay“ ist Aymara und bedeutet „Mir ist kalt“.
Bolivien war, bis vor einigen Jahren, das ärmste Land Südamerikas, und etwa 40% der Bevölkerung müssen mit weniger als 1USD pro Tag auskommen. Kinderarbeit, HIV, sexueller und psychischer Missbrauch sowie Gewalt und Alkoholismus in der Familie sind hier keine Seltenheit – ebenso wie das Leben auf der Straße. In La Paz wird es nachts sehr kalt, und die Kinder leiden nicht nur unter der körperlichen Kälte, sondern fühlen diese auch im Herzen. „Alalay“ gibt ihnen die Chance, wieder Freude und Liebe zu spüren, und eine möglichst normale Kindheit in einer zweiten Familie zu führen, in der auch ich mittlerweile einen Platz gefunden habe.
Ich arbeite von montags bis freitags im Kinderdorf in La Paz, in dem zurzeit rund 50 Kinder ihr neues Zuhause gefunden haben. Durch die Arbeit und die Erfahrungen, die man hier macht, durchläuft man einen unglaublichen Lernprozess. Die erste Sache, die man hier lernt, ist grenzenlose Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass man das riesige Glück hatte, in einer intakten Familie aufzuwachsen, und Dankbarkeit für die Möglichkeit, sein Leben so zu gestalten, wie man es gerne möchte, mit jeder erdenklichen Unterstützung. Ich habe nie groß darüber nachgedacht, was meine Eltern für mich getan und worauf sie verzichtet haben, weil ich mir immer dachte, es wäre natürlich, dass Eltern sich um ihre Kinder kümmern – in Wirklichkeit aber ist es ein großer Segen.
Bereits in meiner ersten Woche hier habe ich realisiert, worin der einzige Unterschied zwischen mir und den Kindern hier besteht: ich hatte Glück, und sie hatten es einfach nicht. Außerdem werden Dinge, die für uns ganz selbstverständlich scheinen, plötzlich zum Luxus. Das beste Beispiel ist Wasser, das es in Österreich ja im Überfluss gibt. Hier sagen wir mindestens einmal pro Woche den gefürchteten Satz: „No hay agua.“ – „Wir haben kein Wasser.“ Und das kann dann auch schon mal bis zu drei Tage dauern, bis es wieder welches gibt. Keines zu trinken, keines um die Zähne zu putzen, keines um die Toilette runterzuspülen. Man lernt, ganz anders mit diesen Gütern umzugehen und überlegt dann auch zwei Mal, wofür man sie verwendet. Als ich das erste Mal „Hänsel und Gretel“ vorgelesen habe, hatte einer meiner Jungs Tränen in den Augen. Ich habe dann die Erzieherin gefragt, weshalb er von der Geschichte so traurig wurde, und sie meinte, dass er dasselbe Schicksal erlitt wie die Geschwister in der Geschichte: auch seine Eltern haben ihn im Wald ausgesetzt, weil sie zu arm waren, ihn zu ernähren. Geschichten wie diese relativieren alles und verändern deine Sicht auf die Dinge grundlegend.
Und genau darum bitte ich Sie jetzt:
Bitte sehen sie nicht weg, und helfen Sie uns helfen. Denn obwohl man in Bolivien alles so günstig erwerben kann, mangelt es im Kinderdorf an Einigem. Ein herzliches Dankeschön für Ihre Nächstenliebe schon im Voraus – Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel eine kleine Spende bewirken kann, und wie sehr es Ihnen die Kinder danken werden. Zu jedem Geburtstag kaufe ich eine Kleinigkeit als Geschenk und einen Kuchen, um das Geburtstagskind zu feiern, und die Freude über diese kleine Geste der Zuneigung ist jedes Mal grenzenlos.